Wir müssen lernen, mit der Pandemie zu leben

Das "Haller Kreisblatt" führte ein Interview mit Hans Feuß

Hans Feuß (68) ist Vorsitzender des Kreissportbundes. Im Interview spricht er über die dynamische Corona-Entwicklung und die Folgen für den Amateursport. Einige Entscheidungen der Regierung sieht er kritisch – ihm fehlt in der Diskussion ein entscheidender Ansatz.

Herr Feuß, wann haben Sie zuletzt ein Amateurspiel gesehen?

HANS FEUSS: Kurz vor dem neuen Lockdown am 24. Oktober. Ein Handballspiel.

Und wann, glauben Sie, werden Sie wieder eins besuchen?

Ich hoffe, dass es vor Weihnachten noch Spieltage gibt. Realistischer und sicher auch vernünftiger ist aber wohl der Januar.

Wie überrascht waren Sie, als die Bundesregierung unter anderem den Amateursport für die nächsten Wochen wieder komplett untersagte?

Dass die Entscheidung so krass ausfällt und sowohl der Spiel- als auch der Trainingsbetrieb erst einmal ausfallen müssen, habe ich nicht erwartet. Ich hätte mir eine differenzierte Betrachtung gewünscht.

Wie meinen Sie das? Angela Merkel oder Armin Laschet zum Beispiel sprechen davon, dass die Maßnahmen „geeignet", „erforderlich" und „verhältnismäßig" seien.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist das vielleicht so. Das liegt aber auch daran, dass die Politik die Zeit im Sommer nicht ausreichend genutzt hat, sich auf die zweite Welle vorzubereiten. Die Sportvereine hingegen schon. Die Hygienekonzepte funktionieren. Das haben die vergangenen Monate gezeigt. Neuralgische Punkte sind sicher die Kabinen. Die hätten die Vereinsverantwortlichen aber einfach absperren können. Die Sportler kommen umgezogen zum Training. Man muss nicht spielen, das stimmt schon. Aber ich hätte mir gewünscht, dass das Training weiterläuft und die Bewegung erhalten bleibt. Diese Entscheidung der Regierung schadet vor allem der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.

Zumal zwischen Spitzen- und Amateursport unterschieden wurde. Ein schwieriges Signal?

Auf jeden Fall. Die Profis dürfen vor leeren Rängen spielen, haben Körperkontakt, umarmen sich nach Toren. Kinder sehen das im Fernsehen. Einige verstehen nicht, warum sie ihren Sport nicht ausüben dürfen. Das ist eine Entwicklung, die ich sehr bedenklich finde.

Anfang der Woche entschied die Landesregierung in NRW dann sogar, dass auch die Fußball-Regionalligisten in unserem Bundesland weiter spielen dürfen – zunächst ohne ständige Corona-Tests.

Eine für mich falsche Entscheidung. Das ist unverantwortlich. Sie sorgt sicher nicht dafür, dass die Maßnahmen der Regierung in der Bevölkerung auf mehr Verständnis stoßen.

Empfangen Sie Signale aus Düsseldorf, ob sich im Dezember für Amateursportler was ändert?

Der Landessportbund ist seit Beginn der Pandemie im ständigen Austausch mit der Landesregierung. Die Vereine haben dadurch viel Unterstützung erfahren. Ich bin zuversichtlich, dass die Politik weiterhin das Know-hoh des organisierten Sports einbezieht und wir ab Dezember neue Regeln haben.

Welche?

Ich gehe davon aus, dass zumindest der Trainingsbetrieb im Verein dann wieder möglich ist. Sowohl im Jugend- als auch im Seniorenbereich. Und das ist auch richtig so.

Auch wenn die Zahlen weiter steigen?

Wir müssen lernen, mit der Pandemie zu leben. Dazu gehört auch, dass bestimmte Dinge laufen, die Spaß machen. Dass man – natürlich unter Einschränkungen – zum Sport, ins Theater oder ins Restaurant gehen kann. Die Hygienekonzepte machen das möglich. Ich finde, es ist der falsche Weg, auf steigende Corona-Zahlen immer wieder mit einem Lockdown zu reagieren.

Was wäre aus Ihrer Sicht richtiger?

Perspektivisch denken und weitsichtiger planen. Mir fehlt in den Diskussionen die lange Linie. Wie gehen wir auf Dauer mit der Situation um? Welche Maßnahmen können wir langfristig treffen, die gleichzeitig die Gesundheit der Menschen sichert und das öffentliche Leben nicht komplett herunterfahren? Die Politiker haben derzeit sicher keinen einfachen Job. Aber Gerhard Schröder hat einmal gesagt „wem es in der Küche zu heiß ist, der darf kein Koch werden".

Wie hat sich der erste Lockdown im Frühjahr auf die Mitgliederentwicklung der Vereine im Kreis Gütersloh ausgeübt?

Klar haben einige Vereine einen Mitgliederrückgang vermeldet. Im gesamten Kreis Gütersloh ist der aber nicht so hoch wie zum Beispiel in anderen Regionen in Deutschland. In Berlin zum Beispiel haben verschiedene Großvereine mehrere tausend Mitglieder verloren. Das sind ganz andere Dimensionen als hier bei uns.

Daran ändert sich aber auch nach dem neuerlichen Lockdown nichts?

Nein. Meine Erfahrungen sind, dass die Menschen im Kreis Gütersloh gerne in ihre Vereinen sind. Das ist mehr als die regelmäßige Bewegung. Da steht die menschliche Begegnung im Vordergrund. Die Solidarität zwischen Verein und Mitgliedern ist sehr hoch.

Abschließend: Was wünschen Sie sich für die nächsten Wochen?

Dass der Sport wieder anläuft. Dass im Dezember ein coronakonformer Trainingsbetrieb stattfinden kann. Und, dass hoffentlich spätestens im Januar der Wettkampfbetrieb wieder starten kann. Außerdem wünsche ich allen Regierenden ein glückliches Händchen. Es geht nicht nur darum, Wellen zu brechen, sondern langfristig Perspektiven zu schaffen. Dann sind die Menschen auch bereit zu folgen.

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