NW
„Der Druck ist unermesslich hoch“
Regionalligist TSG Harsewinkel kann sich im heutigen Derby gegen die TG Hörste keine weitere Niederlage erlauben. Gemeinsam erarbeitetes Konzept soll als Schlüssel dienen.
Von Dirk Heidemann
Das Wort „Niederlage“ wird bei der TSG Harsewinkel vor dem ultrawichtigen Heimspiel am heutigen Freitagabend (Anwurf 20 Uhr) gegen die TG Hörste erst gar nicht in den Mund genommen. Denn was passieren könnte, wenn der Handball-Regionalligist nach der Blamage beim Tabellenletzten Möllbergen (21:22) auch noch gegen den Tabellenvorletzten verlieren würde, das mag sich rund um den Hasenbau lieber keiner ausmalen.
Auch nicht Manuel Mühlbrandt, der in seiner elften Saison als Trainer der TSG von seiner persönlich bislang schwierigsten Phase in Harsewinkel spricht. „Der Verein wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Ich habe ein Zehntel dieser Zeit mitgestaltet, die Mannschaft hoch geführt, Spieler entwickelt und ihre Qualität verbessert“, geht „Mühle“ die aktuelle Situation seiner abstiegsbedrohten TSG natürlich sehr nahe. Und er weiß auch, dass er Ergebnisse liefern muss. Denn trotz aller Treuebekenntnisse seitens der sportlichen Leitung um Teammanager Karlheinz Kalze steht Mühlbrandts Stuhl nicht felsenfest auf vier Beinen. „Ich bin lange genug dabei und kenne das Geschäft.“
Der Coach betont indes, dass es jetzt nicht um die Schicksale von Einzelpersonen gehe, sondern um den Verein und den Klassenerhalt in der Regionalliga. Daher zählt heute Abend nur ein Sieg. Dass damit längst nicht alle Probleme weggewischt würden, ist auch „Mühle“ bewusst. Doch für tiefgreifende Veränderungen sei jetzt eben nicht der richtige Zeitpunkt. „Ich hoffe, dass wir in drei, vier Wochen andere Wege gehen können. Analysieren können, was Trainerteam und Mannschaft falsch gemacht haben und dann die entsprechenden Türen öffnen.“ Denn Fakt ist: die TSG hat ihre Qualitäten im bisherigen Saisonverlauf kaum einmal auf die Platte bekommen. Dabei sind technische Fehler, schwache Wurfquoten und Torhüterleistungen das eine. Viel schlimmer ist, dass bei einigen Akteuren oftmals auch der letzte Biss und die nötige Leidenschaft fehlten.
Damit diese zumindest gegen die TG Hörste vorhanden sind, die TSG Harsewinkel hat bisher alle drei Vergleiche in der höchsten westfälischen Spielklasse gewinnen können, wurde zu außergewöhnlichen Maßnahmen gegriffen. Im Anschluss an die Trainingseinheit am Dienstag gab es Familienpizza und die Mannschaft schaute sich gemeinsam das mit 34:32 gewonnene Hinspiel an. Anschließend bekam jeder Spieler die Aufgabe mit, bis zum gestrigen Donnerstag vier bis fünf wesentliche Dinge herauszuarbeiten, die es in Defensive und Offensive zu beherzigen gelte. „Aus den Überschneidungen erarbeiten wir ein Konzept, das wir dann als Richtlinie für das Spiel mitgeben“, sagt Manuel Mühlbrandt. So wird jeder Spieler mit ins Boot geholt und trägt seinen Teil zur Gesamtverantwortung bei.
Nicht mithelfen kann Jannis Falkenberg, der bereits in Möllbergen mit einer Sprunggelenkverletzung ausgeschieden war. Hinter dem Einsatz von Julian Borren, der sich Anfang Januar im Kreispokal eine Gehirnerschütterung zugezogen und den kleinen Finger an der linken Hand gebrochen hatte, steht ein großes Fragezeichen.
Hörste-Trainer Matthias Baier hatte die TSG Harsewinkel vor der Saison übrigens als Geheimtipp für eine Spitzenposition eingestuft – auch aufgrund der Verpflichtungen von Fynn von Boenigk und Borren aus der 3. Liga. Die Favoritenrolle überlässt Baier deshalb auch vor dem heutigen Duell dem Gegner: „Die TSG hat den Druck, zu Hause gegen Hörste unbedingt gewinnen zu müssen. Ob sich das positiv oder negativ auswirkt, wird man sehen. Wir freuen uns auf ein weiteres Highlight-Spiel vor großer Kulisse.“ Mühlbrandt stimmt seinem Kollegen zu: „Der Druck, der auf uns lastet, wird unermesslich hoch sein.“
Die Glocke:
TSG: Gemeinsam mit Leidenschaft dem Druck standhalten
Die Handballer der TSG Harsewinkel stecken in der Krise. Jetzt steht ein Kellerduell auf dem Spielplan.
Gelingt der TSG Harsewinkel am Freitagabend (17. Januar) im Kellerduell der Regionalliga gegen die TG Hörste etwas Wiedergutmachung für die bittere Niederlage bei Schlusslicht Möllbergen, und zündet sie mit einem Sieg im besten Falle sogar die Halle an?
Geht die Talfahrt weiter?
Oder geht die so nicht eingeplante Talfahrt ohne die dringend benötigten Heimpunkte für das Team von Manuel Mühlbrandt weiter? Oder gibt es etwa nach 60 mit Spannung erwarteten Handballminuten für beide Teams einen Punkt, der keinen richtig weiterbringt?
Es geht im zweiten Rückrundenspiel also um Weichenstellungen, es ist vor allem bei den mit ganz anderen Ansprüchen gestarteten Gastgebern viel Druck da, wenn sie als Tabellenelfter mit 9:17-Punkten den von Matthias Baier trainierten Vorletzten, der nur vier Pluszähler weniger aufzuweisen hat, um 20 Uhr im Hasenbau empfangen.
Mühlbrandt: „Für mich persönlich schwierige Situation“
„Das ist für mich, auch persönlich, schon eine schwierige Situation“, sagt TSG-Trainer Manuel Mühlbrandt. „Aber so geht es nun mal auch im semiprofessionellen Sport zu. Und wichtig ist zuallererst mal der Verein. Und die TSG Harsewinkel ist mittlerweile mein Heimatverein“, macht Mühlbrandt gleichzeitig deutlich, dass er alles tun werde, um die TSG schnellstmöglich aus der Misere herauszubefördern.
Auf diese Energie und Leidenschaft, auf einen Schulterschluss für Verein und Mannschaft zählt der Trainer heute auch bei jedem Spieler. „Wir haben uns nach dem Dienstagstraining nochmal das ganze Video vom Hinspiel angesehen. Am Donnerstag hat jeder seine persönlichen Punkte aufgelistet, mit denen Hörste bezwungen werden kann. Und daraus wurde ein gemeinsames Ziel, eine gemeinsame Strategie erarbeitet.“
Zwei Leistungsträger angeschlagen
Personell stehen allerdings mit Jannis Falkenberg (in Möllbergen umgeknickt) und Julian Borren nach dem heftigen Aufprall beim Kreispokal hinter zwei Leistungsträgern noch dicke Fragezeichen.
„Hörste wird seine Chance wittern und versuchen, ohne diesen großen Druck erfolgreich zu sein. Ich setzte darauf, dass meine Jungs auf dem Platz auch für das Publikum alles geben, denn diese tollen Fans haben wir in letzter Zeit nicht entsprechend bedient“, weiß Mühlbrandt und nennt unabhängig von allen taktischen Kniffen und Vorgaben, das Rezept, mit dem die Wiederholung des glanzlosen, aber verdienten 34:32-Hinrundensieges im „Druck-Derby“ gelingen soll: „Gas geben, mit Mut und Selbstvertrauen spielen und für den anderen da sein.“