Ein Auge lacht, das andere weint
Die TSG Harsewinkel hat in einem weiteren epischen Regionalliga-Derby den Aufstiegs-Topfavoriten SF Loxten nach einer famosen zweiten Hälfte am Rande einer Niederlage.
Sollte es wirklich das vorläufig letzte Derby in der Handball-Regionalliga bei den Sportfreunden Loxten gewesen sein, dann wird die TSG Harsewinkel noch lange an den Freitagabend des 10. Oktober 2025 zurückdenken. In einer erneut epischen Partie knöpfte die TSG dem ewigen Kreisrivalen beim 28:28 (10:15) den ersten Punkt in dieser Saison ab, hatte ausgerechnet durch den Ex-Loxtener Heiner Steinkühler aber sogar den Sieg in der Hand.
Der Routinier zwirbelte nach Ablauf der Schlusssirene einen direkten Freiwurf über den Loxtener Block, sein mit viel Spin geworfener Ball klatschte aber rechts oben an das Lattenkreuz. „Dabei hatte ich eigentlich ein gutes Gefühl, dass der Ball reingeht, als er am Block vorbeiflog“, sagte Steinkühler, der vor zwei Jahren mit der TSG den bislang einzigen Derby-Sieg bei den „Fröschen“ gefeiert hatte. Es roch nach dem zweiten Erfolg in der offiziell mit 800 Zuschauern ausverkauften Sparkassen-Arena, in die sich am Ende wohl eher 1.000 Handball-Freunde quetschten, als Liam Lindenthal in der 58. Minute einen Siebenmeter zur 28:27-Führung für die TSG verwandelte. Doch sieben Sekunden vor Schluss gelang Jannis Louis, ebenfalls per „Marke“, der Ausgleich.
Dass es am Ende so spannend werden würde, zeichnete sich in der ersten Halbzeit noch nicht ab. Zwar stand die Harsewinkeler Abwehr, die Ex-Profi Julian Possehl komplett abmeldete, auch da schon ganz ordentlich. Aber im Angriff erlaubten sich die Gäste zu viele einfache technische Fehler, die Loxten zu leichten Gegenstoßtoren nutzte. „Damit haben wir uns selber weh getan. Wir dürfen niemals mit minus fünf Toren in die Halbzeit gehen“, sagte TSG-Trainer Timo Schäfer, dem bim 12:9 (24.) zudem die Zeitstrafe wegen Meckerns gegen Fynn von Boenigk sauer aufstoß. Da wenig später auch noch Moritz Eichelsbacher für zwei Minuten auf die Bank musste, kassierte die TSG in Unterzahl drei Gegentore.
„In der ersten Halbzeit waren wir vor dieser brutalen Kulisse ein bisschen nervös“, bekannte Julian Borren, der nach dem Seitenwechsel zum mitentscheidenden Faktor werden sollte. Wie Bulldozer räumten Alexander Engelhardt und Marlon Meyer immer wieder den Weg für „Hansi“ frei, der acht seiner zehn Treffer im zweiten Durchgang erzielte. „Marlon und ich haben uns ja fast dabei abgewechselt, wer von uns beiden die Hand von Jannis Louis oder Tim Weischer ins Gesicht kriegt“, berichtete Borren, der von der Loxtener Abwehr aber nicht mehr zu stoppe war. „Bei ihm läuft jede Trainingseinheit so ab wie die zweite Halbzeit“, wünscht sich Timo Schäfer, dass sein Rückraumspieler solche Leistungen auch in Zukunft in Pflichtspielen abrufen kann.
Gleiches gilt für Torhüter Maik Schröder, der sich am Freitagabend nach der Pause enorm steigerte und mit einer spektakulären Dreifach-Parade beim Stand von 19:16 (39.) endgültig den Startschuss für die Harsewinkeler Aufholjagd gab. „Das war der Knackpunkt, danach ging es richtig los“, so Schröder. „Wir sind in der zweiten Halbzeit über den Kampf komplett zurückgekommen und haben jede Abwehr-Aktion gefeiert.“
Beim 20:19 (45.) und 21:20 (49.) schnupperten die Gäste bereits am Ausgleich, doch Loxten zog auf 24:21 (51.) davon. Auch beim 26:23 (53.) betrug der Rückstand noch drei Tore. Engelhardt, Meyer und ein Doppelschlag von Borren führten zum 27:27 (57.). Während der Gästeblock nun komplett stand, saßen die erfolgsverwöhnten Frösche-Fans wie in Schockstarre auf ihren Plätzen und bejubelten das späte 28:28 wie einen Sieg.
„Natürlich hätten wir das Spiel gewinnen können, aber am Ende gehen wohl alle zufrieden nach Hause“, sagte Timo Schäfer, während Maik Schröder von einem gewonnenen Punkt sprach. „Ich habe ein lachendes und ein weinendes Auge“, bekannte Julian Borren, der hofft, dass die nun mit 4:6 Punkten dastehende TSG endlich in die Saison finden wird. „Vielleicht war dieses Spiel genau das, was wir gebraucht haben. Wir haben das Herz auf der Platte gelassen und uns den Arsch aufgerissen.“